Schon immer hat sich das CTM Festival zum Ziel gesetzt, radikalen und extremen musikalischen Ausdrucksformen sowie dissonanten Gefühlswelten Raum zu geben. Unter dem Titel FEAR ANGER LOVE will CTM 2017 nun explizit den Fokus auf die verschiedenen Formen und Strategien von Emotionen in und durch Musik legen und so den komplexen (musikalischen) Vermittlungsprozessen zwischen Körper, Affekt und Politik nachspüren. Mit besonderen Projekten und Auftragswerken, mit Performances, einem diskursiven Tagesprogramm und Augenmerk auf die Vielfalt zeitgenössischer Musikgeographien jenseits des Mainstream, erkundet CTM 2017 die Potenziale (musikalischer) Emotion zwischen Ressentiment und emanzipatorischer Politik.
Vom 27. Januar bis zum 5. Februar 2017 kehrt CTM 2017 Fear Anger Love in sein Netzwerk aus herausragenden Orten des Berliner Nach- und Kulturlebens zurück, darunter das HAU Hebbel am Ufer, Berghain, Kunstquartier Bethanien, Yaam, und Heimathafen Neukölln. Ab sofort sind CTM 2017 Pässe erhältlich.
Das CTM 2017 Musikprogramme beinhaltet:
Die Weltpremiere der Installation:
CTM betritt das erste Mal die höhlenartige Halle am Berghain mit der Weltpremiere von Kurt Hentschlägers "SOL", eine Installation die auf die Thematiken des Kontrollverlust, Aufmerksamkeitsverschiebung und dem Gefühl der Ort- und Zeitlosigkeit aufbaut.
Und die CTM Austellung:
Die Ausstellung “Critical Constellations of the Audio-Machine in Mexico” ist eine Zusammenarbeit mit dem Forscher und Kurator Carlos Prieto Acevedo. Sie beschreibt die Geschichte und den aktuellen Zustand der elektronischen Musik und Klangkunst in Mexiko. Besonderes Augenmerk legt sie auf die Wechselwirkungen zwischen den klanglichen Imaginationen und dem kollektiven Ringen um eine nationale Identität, um alltägliches Überleben, gesellschaftlichen Fortschritt und Stabilität.
Wir freuen uns ganz besonders über die Teilnahme von Underground-Ikone Genesis Breyer P-Orridge. Seit den Anfängen mit dem Performance-Kollektiv COUM Transmissions und der legendären Industrial-Band Throbbing Gristle in den 1970er Jahren liefert P-Orridge mit ihren/seinen radikalen, transgressiven Praktiken in Musik, Kunst, Magie und Gender-/ Identitätspolitik für viele wichtige Bezugspunkte und Inspiration. Ein Höhepunkt des CTM 2017 ist das Konzert von P-Orridge zusammen mit dem ehemaligen Wolf Eyes-Mitglied und experimentierfreudigen Noise-Künstler Aaron Dilloway. Weiterhin wird Regisseurin Hazel Hill McCarthy III den gemeinsam mit Genesis produzierten Film "Bight of the Twin" präsentieren: eine intensiv emotionale Suche nach Lady Jaye Breyer – die verstorbene Lebenspartnerin von P-Orridge. Auf einer Reise nach Benin, wo P-Orridge und McCarthy eigentlich die Ursprünge des Vodoun (Voodoo) erforschen wollten, wurde P-Orridge in ein archaisches "Zwillings-Fetisch"-Ritual eingeführt, das versprach sie mit der Seele Breyers zu verbinden.
Das weit verstreute Kollektiv NON Worldwide wird mit sechs seiner Mitglieder*Innen – Chino Amobi, Nkisi, Angel Ho, Dedekind Cut, Embaci und DJ Lady Lane – anreisen, um gemeinsam mit der Choreografin Ligia Lewis einen Performanceabend zu präsentieren. In den gerade mal zwei Jahren des Bestehens von NON, hat ihre facettenreich holistische, kritische Arbeit, die genre-verachtender Musik mit dem intelligenten Spiel mit popkulturellen Formen zusammenbringt, weitreichende Aufmerksamkeit erfahren. Die Gruppe besteht aus Künstler*Innen und Produzent*Innen aus Afrika und der internationalen afrikanischen Diaspora und hat sich zur Aufgabe gesetzt, mit Sound, Bildproduktion und Performance überkommene Machtstrukturen zu konfrontieren. Irgendwo zwischen Varieté Show und spekulativer Abstraktion, wird der eigens für CTM in Zusammenarbeit mit dem HAU entwickelte Abend die provokative Vision von NON mit dem körperlichen Zwang von Lewis herausfordernden und kraftvollen Choreographien zusammenschalten.
In einer Kooperation mit dem Teheraner SET Festival gibt CTM einen Einblick in die experimentelle elektronische Musikszene Irans. Für eine neue Auftragsarbeit wird Ata 'Sote' Ebtekar mit dem gefeierten audiovisuellen Komponisten Tarik Barri und den Instrumentalisten Arash Bolouri und Behrouz Pashaei zusammenarbeiten. Ihre Verschmelzung von elektronischen Klängen mit traditionellen akustischen Instrumenten verspricht eine „persische Techno-Apokalypse“. Siavash Amini und 9T Antiope sind als weitere Vertreter der aufkeimenden Szene klanglichen Experiments in Teheran eingeladen. Mit Einfallsreichtum und der Findigkeit loten die Iranischen Bürger*Innen die vorsichtigen staatlichen Reformen der letzten Jahre aus, wodurch in jüngster Zeit – flankiert durch die Informationsangebote des Internets und beharrliche DYI-Basisarbeit einzelner Produzenten oder unabhängiger Initiativen – eine neue Vielfalt kultureller Aktivitäten am entstehen ist. Die Präsentation iranischer Musiker*innen ist eine Kooperation mit dem Goethe Institut und Teil des Kulturprogramms zur Ausstellung "Die Teheran Sammlung", die zwischen dem 04.Dezember 2016 und dem 05. Februar 2017 in der Berliner Gemäldegalerie zu erleben ist.
Die in NYC-geborene Princess Nokia verschmilzt Musikstile aus verschiedenen Diasporas und reicht mit ihren frech vulgären Texten hybriden Lebensentwürfen jenseits der bürgerlichen Norm auf der ganzen Welt die Hand: “banjee girls in Harlem, teen brides in the Middle East, gay boys in East Asia. Labels no longer matter.” Eine weitere Protagonistin der wachsenden Präsenz ikonoklastischer Musikerinnen im Underground Hiphop ist die in Vancouver geborene Tommy Genesis. Seit ihrem Debutalbum im Jahr 2015 mit Awful Records in Atlanta verbunden, inspiriert Tommy Genesis mit provokativen Texten, suggestiven Videos und einem Sound, der an Cannibal Ox und die frühe M.I.A. aber auch die geschmeidigen Rhythmen von Future und Young Thug denken läßt.
Die Musikerin und Afrofuturistin aus Philadelphia Moor Mother, bringt ihren musikalischen Aktivismus zum CTM, den sie selbst als “project-housing bop”, “slaveship punk” oder “witch rap” bezeichnet. Ihre Musik fungiert als eine Art von Vehikel, für die Auseinandersetzung mit der Geschichte von Kampf und Verlust und der Notwendigkeit von Rebellion und Standhaftigkeit in der afroamerikanischen Community.
Tanya Tagaq ist eine kanadische Musikerin mit Inuit-Wurzeln aus Cambridge Bay, Nunavut. In ihren gleichermaßen politischen wie spirituellen Performances übersetzt sie mit Kehlkopfgesang, gutturalen Knarz- und Stöhnlauten und beinduckendem Atem alte traditionelle Gesangsformen in eine postmoderne Sprache. Politik geht sie so direkt an wie Klang, ihre Kunst ist ihre Waffe, um für die Rechte der Frauen und indigener Kulturen zu kämpfen. Mit ihrem Auftritt beim CTM Festival stellt sie erstmals in Deutschland ihre neues Albums Retribution (Oktober 2016) vor.
Actress sah es schon immer als seine Aufgabe an, die empfindlichen Nervenenden der Londoner Rave-Kultur blank zu legen. Jahre des Experimentierens und Verfeinerns haben ihn mit einem Sound belohnt, der im emotionalen Nebel zwischen den strengen Rasterlinien von Techno und 2-Step lebt und atmet.
Der von der Shape Platform unterstützte Künstler Thomas Ankersmit ist einem Soundphänomen zugetan, wie es intrusiver und größer kaum sein kann. Im Berghain wird er die vielschichtige Komposition "Infra" präsentieren. Die Arbeit erforscht das künstlerische, musikalische und perzeptive Potenzial von Infraschall – Klängen unterhalb der menschlichen Hörschwelle, die jedoch starke emotionale Reaktionen von Unruhe und Angst bis hin zu Ehrfurcht und spiritueller Katharsis auslösen können.
Der radikale Prophet der Antimusik, Romain Perrot alias Vomir, ist bekannt für seine kompromisslos "harschen Lärmwände" (Harsh Noise Walls). Statischer Klang an den Grenzen der Hörbarkeit versteht er als Möglichkeit für Isolation und Immersion, als Ausdruck eines existenziellen Nihilismus und des Wunschs, sich gänzlich aus der Gesellschaft zu verabschieden.
Nach ihrem Auftritt 2014, werden Gazelle Twin mit ihrem unruhig ruhelosen Industrial-Pop erneut das Festival beehren, um ihre neueste Arbeit "Kingdom Come" vorzustellen. Die zusammen mit den Filmemachern Chris Turner und Tash Tung entwickelte audiovisuelle Performance, ist von J.G. Ballards letztem, gleichnamigen Roman inspiriert, und handelt von suburbaner Konsumkultur, Terrorismus und dem gegenwärtigen Aufschwellen des Rechtsextremismus in Europa.
Mit einem Blick in die Zukunft imaginiert der mexikanische Künstler Julian Bonequi in der Auftragsarbeit "The Death of the Anthropocene" eine Serie von Eins-zu-eins-Begegnungen gewöhnlicher Menschen mit mysteriösen Besuchern – Mutanten, Mensch-Roboter-Tier-Schichtkörpern, Aliens ... – und entwirft dabei humorvoll grimmige Bilder der Zukunft der Menschheit. Bonequi ist einer von zwei Gewinnern des CTM 2017 Radio Lab, das zusammen mit den Partnern Deutschlandradio Kultur, ORF und dem SoCCoS Sound Art Network Arbeiten fördert, die die künstlerischen Möglichkeiten des Radios mit Live-Performance oder Installationskunst koppeln. In "Happy New Fear", der zweite ausgezeichneten Arbeit, beschäftigt sich Rima Najdi mit einer Realität, die von Angst und Kontrolle bestimmt wird; die Erzählung folgt Madame Bomba – einem Charakter, den Najdi erstmals im Jahr 2014 nutze, als sie durch die Straßen ihrer Heimatstadt Beirut streunte und dabei ein cartoon-artiges Imitat einer TNT-Bombe um ihre Brust trug. Für ihr neues Projekt wird sie mit der Musikerin Kathy Alberici (bekannt von Drum Eyes) und der bildenden Künstlerin Ana Nieves Moya zusammenarbeiten.
CTM-Alumnus Robert Henke, dessen Wirken sowohl als Produzent wie auch als Softwareentwickler l die internationale elektronische Musiklandschaft nachhaltig geprägt haben, führt in einem speziellen Surround-Sound-Setting im Berghain sein jüngstes Monolake-Album VLSI auf.
Ein weiterer Instrumentenbauer, Enrique Tomás, entwickelt für CTM sein Projekt "Embodied Gestures" weiter. In der Auftragsarbeit, die er über das audiovisuelle Netzwerk ENCAC erhielt, untersucht er, "wie man seine musikalischen Bestrebungen in digitalen Instrumenten kodieren kann". Tomás versteht musikalische Sensibilität, Empathie und emotionale Intensität als Auslöser kreativer Prozesse und musikalischer Erfahrungen.
Flankiert wird das umfangreiche musikalische Repertoire des CTM durch das Festivaltagesprogramm Transfer. Es bündelt das Diskursprogramm mit Vorträgen, Diskussionen und Filmen, die fünfte Ausgabe des MusicMakers Hacklab, den gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Transkulturelle Musikwissenschaft an Humboldt-Universität ausgerichtete Research Networking Day, sowie die Installation "SOL" und die Ausstellung "Critical Constellations of the Audio-Machine in Mexico".
Für das MusicMakers Hacklab und den Research Networking Day können sich Teilnehmer aktuell noch bis zum 30. November bewerben.
Wie seit jeher findet CTM parallel und in Zusammenarbeit mit dem Festival für Kunst und digitale Kultur transmediale statt. Gemeinsam bieten die beiden Festivals die weltweit größte Plattform, für die künstlerische Auseinandersetzung mit neuen Technologien und der digitalen Kultur.
Beginnend am 2. Februar und endend am 5. März 2017 feiert die transmediale eine Monat lang ihr 30jähriges Bestehen mit Aktivitäten im Haus der Kulturen der Welt und an anderen Orten. Das diesjährige Motto ever elusive bezieht sich sowohl auf die Flüchtigkeit der sich fortwährend in Übergangsprozessen befindenden medialen Welt als auch auf die transmediale selbst, als ein Projekt das permanentem Wandel unterzogen ist. Auf der Suche danach, wo in den heutigen Mediensystemen Macht und Handlungsmöglichkeiten zu finden sind, versucht die 30. Ausgabe der transmediale einen nuancierten Ausblick auf das Nichtmenschliche und dessen Rolle als mächtigen Motor der Veränderung.
CTM und transmediale präsentieren das pre-festival Vorspiel 2017, zu dem Berliner Projekträume, Initiativen, Künstler, Kollektive und Partner eingeladen werden ein Programm zu entwerfen, das die CTM und transmediale Festivalthemen reflektiert. Teilnehmer können sich ab jetzt bis zum 20. November registrieren.
Die nächste CTM 2017 Programmankündigung folgt Ende November. Das vollständige Programm wird im Januar 2017 veröffentlicht.
Buy passes and tickets
Full programme